21.09.2014

Heute in der SOZ: Die kleine Schwarze

Überall Pinguine, Blümchen, Frösche, Kleeblätter, Matrosen oder Sterne.
In zuckersüssen Bonbonfarben wie Mintgrün, Hellblau, Pink und auch
noch mit all diesen Jö-Motiven bedruckt, die man auf der Suche nach hübschen
Baby- und Kinderkleidern ständig antrifft. Etwas Unifarbenes zu finden, ist
schon schwer genug, aber wer in einem Kinderkleiderladen nach etwas Schwarzem fragt,
wird angeschaut, als würde er nach ­einer Schaufel verlangen.
Eine Schaufel, um Gräber auszuheben. Denn Schwarz ist gleichbedeutend mit
Friedhof, mit Tristesse, Tod. Eine Trauerfarbe an Kindern? Pfui Spinne! 


Hierzulande projiziert man in Kinderkleider den ganzen Pantone-Fächer der
Unbeschwertheit: Rot ist lebendig, Gelb fröhlich, Grün naturverbunden, Weiss unschuldig.
Das sind die Codes der Kindergarderobe, und Schwarz hat darin,
zumindest bei uns, keinen Platz. So muss man schwarze Kleider entweder
selber färben oder in Asien Ausschau halten. Das liegt daran, dass die Asiaten
mit Schwarz nicht Trauer, sondern Kraft verbinden. Beim japanischen Anbieter
Uniqlo gibt es für knappe sechs Dollar seit Jahren die schönsten Langarmshirts
für Babys ab vier Monaten. Sie sind unbedruckt, und das Baby, das einen
zahnlos und lachend aus dem Kinderwagen anstrahlt, sieht darin entzückend aus. 


Skandinavische Anbieter setzen Schwarz konsequent um 
Denn Schwarz ist die wunderbarste aller Farben überhaupt! Diese ernste, strenge, intellektuelle Farbe – die genau genommen natürlich gar keine ist. Schwarz ist ein Segen und in Modekreisen längst so etabliert, dass eine Emmanuelle Alt schon gar kein Statement mehr abgibt, wenn sie Schwarz trägt. Denn Schwarz tragen alle. Und immer. Schwarz ist die Farbe des Understatements und der Nonchalance. Grosse Menschen können sich alles in Schwarz kaufen, und kleine Menschen? Viel zu wenig, aber – immerhin – verschlafen den Trend nicht ganz alle. Zwei grosse Schweizer Kinderonline-Shops, Zirkuss.com undStadtlandkind.ch, beschäftigen sich intensiv mit der Farbe. Patrizia Jaeger, Mitgründerin von Zirkuss.com, sagt: «Wir sehen sie als unumgänglich in einer modernen und kreativen Garderobe», so die Mutter von drei Söhnen. «Unsere Labels wie Soft Gallery, April Shower oder Popupshop produzieren tolle schwarze Looks.» Und: Sie seien es, die oft am schnellsten ausverkauft sind, sagt Jaeger. 

Interessant ist aber vor allem, dass es auffallend oft skandinavische Anbieter sind, die das Bedürfnis nach schwarzer Kindermode am konsequentesten umsetzen. Soft Gallery und Popupshop stammen aus Dänemark, Mini Rodini kommt aus Schweden. Dass die Labels aus dem Norden da den Takt angeben, bestätigt auch Roberta Zingg, Einkäuferin und Mitinhaberin von Stadtlandkind.ch: «Schwarz beruhigt. Wir sollten unsere Kinder an dieser Schönheit teilhaben lassen, die wir als Erwachsene so selbstverständlich für uns beanspruchen», so Zingg. Wer einen Brand sucht, der sich fast ganz der Farbe Schwarz verschrieben hat, der wird bei Caroline Bosmans fündig. «Wir haben uns sofort in die kompromisslose Anwesenheit der Farbe verliebt», sagt sie. Bosmans ist, übrigens, auch Dänin. 

Auf Anfrage bei den beiden anderen dänischen Macherinnen von Soft Gallery,
Tine Holt Moeller und Barbara Hvidt, die sich selber auf Bildern ausschliesslich
in Komplettschwarz ablichten lassen, sagt Hvidt: «Schwarz wirkt auf die
meisten Eltern immer noch etwas ernst.» «Dabei», sagt sie, «dürfen doch
auch Kinder manchmal ernst sein.» 

Martina Bortolani

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